Am Abend des 27. September wird der türkische Regimechef Recep Erdogan, begleitet von Kampfjets in Berlin landen. Zu seiner Sicherheit sind tausende Polizist*innen aus ganz Deutschland und diverse Spezialeinheiten abgestellt. Wenn Erdogan nach Berlin kommt, um sich mit seiner deutschen Amtskollegin Angela Merkel und mit anderen deutschen Politiker*innen zu treffen, werden Scharfschützen auf den Dächern im Regierungsviertel lauern, die Gullis werden versiegelt, und den Leuten, die in der großräumigen Sicherheitszone in, und um das Regierungsviertel herum leben, ist es verboten, Balkone zu betreten und Fenster zu öffnen. Die deutschen Sicherheitsbehörden wissen warum: Erdogan ist ein Diktator, ein Mann der einen blutigen Krieg gegen die Menschen in den kurdischen Gebieten der Türkei, Syriens und des Irak führt, und der die Türkei Stück für Stück in eine faschistische Gesellschaft umbaut. Deshalb wird er von so vielen Menschen gehasst, deshalb muss die deutsche Polizei ihn beschützen.
Den deutschen und den türkischen Staat verbindet eine dreihundert-jährige Geschichte der Waffenbrüderschaft, der Unterdrückung und des Genozids. Schon preußische Militärs halfen den Osmanen dabei, kurdische Aufstände niederzuschlagen, im Ersten Weltkrieg kämpfte und verlor man gemeinsam, der deutsche Imperialismus war dabei auch in den Völkermord an den Armenier*innen verwickelt. Bis heute profitiert das deutsche Kapital und sein Staat von den guten Beziehungen zu der Türkei, rund 7000 deutschen Firmen machen auf türkischem Boden Profit. Der ökonomische, politische und militärische Apparat der beiden Nationalstaaten ist aufs Engste miteinander verwoben. Und daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Das AKP-Regime ist neben Saudi-Arabien und Israel der wichtigste Verbündete des deutschen Imperialismus in der Region, der Krieg gegen die kurdische Bevölkerung und zigtausend Demokrat*innen in Knästen spielen für den deutschen Staat dabei keine Rolle.
Die Ausbeutung und die Kriege die im Nahen Osten von den Herrschenden in Ankara gemeinsam mit imperialistischen Staaten wie der BRD organisiert werden, bedeuten immer auch Krieg und Unterdrückung die sich gegen die ökologischen Lebensgrundlagen der Menschen wenden. Anfang des Jahres begann Erdogan, ausgerüstet mit deutschen Panzern und unterstützt von Djihadistengruppen, den Kanton Afrin in der Demokratischen Föderation Nordsyrien zu besetzen, auch hier gingen Krieg und Besatzung mit der Zerstörung der Natur einher, systematisch wurden Olivenhaine angezündet, Bombardements und Brände zerstörten ganze Landstriche. Krieg ist natürlich immer nur der krasseste Ausdruck eines Herrschaftssystems, das auch auf der Ausbeutung der ökologischen Ressourcen und der menschlichen Arbeitskraft beruht. Kapitalistische Systeme beuten unseren Planeten gnadenlos aus, die Natur wird zur Lieferantin von Rohstoffen und Nahrung reduziert und es wird eine Trennlinie gezogen: Hier die Natur, dort der Mensch. Hier Subjekt, dort Objekt. Dabei sind wir geradewegs dabei, unsere eigene Existenzgrundlage zu untergraben. Die Klimakatastrophe und die zunehmende Zerstörung unserer Ökosysteme führen uns in eine Situation, in der in vielen Teilen dieser Welt kaum mehr menschliches Leben möglich sein wird.
Die Objektivierung der Natur geht so weit, und damit kommen wir auch zurück zu Erdogan, dass Politiker*innen sie zu ihrem Kampfmittel machen. So passiert das, um ein konkretes Beispiel zu nennen, mit dem Euphrat, einem der größten Flüsse Westasiens. In türkisch-Kurdistan baut Erdogan riesige Staudämme um den Flusslauf des Euphrat zu kontrollieren. Er weiß: Wer das Wasser kontrolliert, kontrolliert auch das Leben. Der sinkenden Pegel des Euphrat ist ein Grund, warum sich in Syrien die Wüsten immer breiter machen und das Trinkwasser immer knapper wird. Dies zeigt beispielhaft, wie eng gesellschaftliche Unterdrückung und Naturzerstörung zusammenhängen. Schon allein deshalb muss der Kampf gegen die Naturzerstörung und für eine freiere Gesellschaft zusammengeführt werden. In vielen Teilen der Welt passiert das auch schon, so auch in Rojava/Nordsyrien. Dort beteiligen wir uns als Demokrat*innen und Sozialist*innen am ökologischen Wiederaufbau der Region.
So wichtig der Kampf gegen die politische Unterdrückung durch Erdogans AKP-Regime in der Türkei und in Kurdistan ist, so wichtig ist auch der Kampf, der gegen die ökologische Zerstörung die durch den Kapitalismus und seine Staaten in Westasien, so wie überall in der Welt geführt werden muss. Dabei reicht es nicht, ab und an demonstrieren zu gehen, oder Petitionen zu unterschreiben. Der Aufbau eines anderen Lebens und einer ökologischen und solidarischen Gesellschaft wird nur dann gelingen, wenn wir Freiräume außerhalb der kapitalistischen Verwertungslogik und staatlicher Hierarchie aufbauen und ein anderes Verhältnis zwischen uns allen und zwischen uns und unseren ökologischen Lebensgrundlagen aufbauen.
Unsere Herzen brennen für eine andere Welt und sie brennen vor Wut angesichts des Unrechts dass durch Regimeführer wie Erdogan angerichtet wird. Und diese Wut muss auf die Straße. Wir denken, dass der Staatsbesuch von Erdogan in Berlin dafür eine gute Gelegenheit ist. Wir rufen unsere Freund*innen in Europa dazu auf, sich dem Erdogan-Besuch entgegenzustellen.
Make Rojava Green Again
Weitere Informationen:
https://erdogannotwelcome.wordpress.com/