Eine Industrie, die nicht ökologisch ist, trägt mindestens genauso zur Zerstörung der
Gesellschaft bei wie der Kapitalismus und der Nationalstaat.
ABDULAH ÖCALAN
Um gegen den kapitalistischen Industrialismus anzukämpfen, ist eine von den drei
Lösungsgegenständen in der demokratischen Moderne die ökologische Industrie. Die
uneingeschränkte Nutzung von Technik zur maximalen Gewinnerzielung des Kapitalismus kann als
Industrialismus definiert werden. Ähnlich wie die Neigung zum maximalen Gewinn dazu geführt
hat, dass sich der Staat als maximales Machtinstrument in der Form des Nationalstaats reorganisiert
hat, wurde auf selbige Art die (Aus-)Nutzung technischer Ausstattung mit der Intention maximalen
Profits in der Gestalt des Industrialismus organisiert.
Die Hauptgefahr des Industrialismus besteht jedoch darin, dass eine lebendige und eine gefühlvolle
Gesellschaft sich zu einem mechanischen Friedhof von Gegenständen verwandelt und zur „Roboter
Gesellschaft“ wird. Solange und wenn dem Industrialismus keine Grenzen gesetzt werden, wird auf
Dauer auf der Erde keine Gesellschaft mehr mit einer gesunden Gefühlswelt fort existieren. Die
Mechanisierung der Gesellschaft wird nach einer gewissen Zeit bei einem bestimmten
Schwellenwert zu Gesellschaft führen. Die Neigung des Kapitalismus, den Industrialismus ständig
zu maximieren, kann vielleicht eine gefährlichere Ausrichtung sein als reiner Krieg. Es ist jetzt
schon bemerkbar, dass die natürliche Welt von der Umwelt getrennt wurde und in solchen von der
Natur los- gelösten Städten sich zu den Gefangenen des virtuellen Lebens entwickelt hat.
Die Grundlage dafür, dass die Städte sich in so einer Form entwickeln und sich wie ein
Krebsgeschwür vergrößern können, ist der Industrialismus. Die Städte entwickeln sich zu Monstern,
die unseren lebendigen Planeten absorbieren. Städte, die Millionen von Einwohner_innen haben,
besitzen keine sozialen Sinne. Gerade weil diese Arten von Städten auf keiner Notwendigkeit
basieren, kann deren krebsartiges Wachstum als Krankheit bezeichnet werden. Dementsprechend
übertreffen die Todesfälle durch Verkehrsmittel allein mit den Unfällen, die sie hervorgerufen
haben, längst die Kriegsbilanzen. Mit dem Lärm, der Luftverschmutzung und der Rückentwicklung
der Menschen, die die Verkehrsmittel verursachen, sind diese längst nicht mehr nur Mittel, um die
Fortbewegung zu erleichtern.
Als ein weiterer Bestandteil des Industrialismus haben die virtuellen, visuellen und schriftlichen
Kommunikations- mittel die Menschheit von der Wirklichkeit entfremdet und sie zu Abhängigen
einer virtuellen Welt gemacht. Die Massen von Individuen, die ihren Bezug zur Gesellschaft mit
entsprechender Realität verloren haben, bringen am besten zum Ausdruck, wie sehr die Gesellschaft
atomisiert wird. Die Massen, die sich aufgelöst haben und eigentlich keine Gesellschaft mehr
bilden, sowie Kriegs -und Rüstungsindustrien die schon lange ein solches Ausmaß erreicht haben,
dass die Menschheit mit ihrer gesamten Umwelt schon längst geschluckt worden sein müsste, sind
einige Beispiele.Die Menschen als Lebewesen, die nur mit ihrer Umwelt überleben können, genauso wie auch
zahlreiche andere Lebewesen – dazu gehören auch Pflanzen und Wälder – werden vom
Industrialismus in ökologischer Hinsicht geopfert. Den Techniken des Industrialismus und der
kapitalistischen Moderne, die ohne Zweifel zur Zerstörung der ganzen Welt führen, steht die
demokratische Moderne gegen- über, dessen Herangehensweise an die Industrie komplett
ökologisch ist. Eine Industrie, die nicht ökologisch ist, trägt mindestens genauso zur Zerstörung der
Gesellschaft bei wie der Kapitalismus und der Nationalstaat.
Die Elemente der demokratischen Nation und der kommunalen Ökonomie der demokratischen
Moderne sollen allerdings nicht ohne die Technik und die Industrie in die Praxis umgesetzt werden.
Im Gegenteil erfordert diese Moderne mit ihren Elementen die bewusste Nutzung der Wissenschaft
und der Entwicklung der Technologie in der Industrie.
Die eigentliche Bedeutung der Industrie für die Gesellschaft wird an diesem Punkt deutlich. Die
Industrie als Ganzes hat ihre Relevanz für die Gesellschaft in dem Ausmaß, als dass sie zu ihrer
Existenz, ethisch und politischen Ausgereiftheit, sowie demokratischen und wirtschaftlichen
Entwicklung beiträgt. Ohne Zweifel ist es einer der wichtigsten Aufgaben der ethisch politischen
Führung dieses Ausmaß zu bestimmen.
Selbst wenn die Gesellschaften des Mittleren Osten aufgrund der kapitalistischen Industrialisierung
noch nicht das Ausmaß an Zerstörung erlebt haben, wie andere Weltmetropolen, sind diese trotzdem
einer längerfristigen Zerstörung aufgrund des Systems der zentralen Zivilisation, welches die
Eigenschaften hatte, jahrhundertalte Umwelten zu zerstören und der negativen Auswirkungen, die
die vorangegangene neolithischen Gesellschaft hervorgebracht hat, ausgesetzt.
Dadurch, dass sie mehr als 5000 Jahre lang die zentrale Zivilisation gefördert haben, hat dies dazu
geführt, dass die Zerstörung eine größere Dimension angenommen hat. Die Entwaldung findet
schon lange in großem Maße statt.
Das Gebiet, welches einst für Pflanzen und Tiere ein Paradies war, hat sich für diese zu einer Hölle
verwandelt. Im aktuellen Zustand, benötigt dieses Gebiet am meisten ökologisches Leben.
Eine vollkommene ökologische Industrie könnte das Gebiet in seine vorherige Produktivität und
Fruchtbarkeit zurückbringen. Gesellschaftliche Probleme haben folgende Eigenschaften: Wo die
Probleme am stärksten verankert sind, dort sind auch die Lösungswege dementsprechend reif.
Unlösbare Probleme sind unvorstellbar. Der zeitliche und örtliche Rahmen, an dem die Probleme
auftauchen, beinhaltet gleichzeitig die Lösungsansätze in sich verborgen. Wie überall auf der Welt
auch vorhanden, gibt es im Nahen Osten ökologische Lösungsansätze, die mindestens genauso viel
Relevanz haben wie die politischen Revolutionen.
Israel ist in diesem Punkt sehr vorbildlich. Durch den wissenschaftlichen und technologischen
Fortschritt, den Israel in der ökologischen Industrie gebraucht, macht Israel selbst in der Wüste
paradiesartige Lebensbedingungen möglich.
In allen Ländern in der Umgebung von Mittelost, werden die ökologischen Industrien mit
kommunaler Wirtschaft die Hauptbedürfnisse der Gesellschaft von Freiheit, Gleichheit und
Demokratie, sowie ihren nachhaltigen Aufbau von neuem ermöglichen. Anstatt Industrialisierung ist
ein ökologischer Aufbruch der wahre und vorrangigste Bedarf. Wenn fortschrittliche europäische
Länder versuchen, ihre nicht-ökologische Industrie durch eine ökologische zu ersetzen, wird dieTatsache, dass sie Lieferant von Textilien, Tourismus und Autos sind, die Probleme der Gesellschaft
nur vertiefen.
Der Kapitalismus wird die Menschheit auf diesem Weg in eine globale Katastrophe bringen.
Dagegen muss der technische Grundbau der Demokratische Moderne ökologisch sein. Bevor wir
uns in die Industrialisierung und die Verleugnung der Industrie begeben, wird eine zu entwickelnde
kommunale ökologische Wirtschaft die Kraft besitzen, die demokratische Moderne und das
demokratisch nationale Leben zu vervollständigen und auf einen stabilen Punkt zu bringen.
Als ein Land in dem der Kapitalismus, der Nationalstaat und die Industrialisierung am wenigsten
entwickelt sind, ist Kurdistan in der Lage diesen Zustand sowohl für den öko- logischen, als auch
kommunal-wirtschaftlichen Aufbau am besten zu bewerten. Dieser (vermeintliche) Nachteil kann
zu einem Vorteil entwickelt werden. Indem die ganze Menschenmenge, die Arbeitslosen innerhalb
ökologisch kommunaler Wirtschaft mobilisiert und organisiert werden, kann das paradiesische Land
von früher auf dem Weg der Demokratischen Zivilisation, als Demokratische Nation neu aufgebaut
werden.
Dazu bedarf es nur eines würdevollen und von Liebe erfüllten Zusammenlebens in einem freien
Land und einer demokratischen Gesellschaft!
*Dieser Text ist eine Zusammensetzung aus verschiedenen Textstellen aus den
Verteidigungsschriften des nicht übersetzten fünf bändigen Demokratischen Gesellschaftsmanifests.